Der Balanceakt

From The Embassy of Good Science

Der Balanceakt

Instructions for:TraineeTrainer
Goal
Kann man zu ehrlich sein? Diese Übung hilft den Teilnehmenden, moralische Sensibilität in Bezug auf jene Werte und Tugenden zu entwickeln, die grundlegend im Zusammenhang mit Research Integrity stehen. Die Übung fördert insbesondere die Reflexion über die moralische Ambiguität, die bestimmten Werten und Tugenden innewohnt.
Requirements

Wer die Übung durchführen möchte, sollte sich vorher die Anleitung durchlesen und sich mit folgenden Themen vertraut machen:

a) den Konzepten der Werte und Tugenden und deren Bedeutung für Research Integrity;

b) dem Konzept des “Balanceakts” oder der goldenen Mitte nach Aristoteles (siehe dieses Video: https://www.youtube.com/watch?v=PrvtOWEXDIQ;)

c) den Inhalten des Europäischen Verhaltenskodex für Integrität in der Forschung (engl.: https://www.allea.org/wp-content/uploads/2017/05/ALLEA-European-Code-of-Conduct-for-Research-Integrity-2017.pdf; dt.: https://www.allea.org/wp-content/uploads/2018/06/ALLEA-European-Code-of-Conduct-for-Research-Integrity-2017-Digital_DE_FINAL.pdf), insbesondere dem ersten Abschnitt;

d) der Definition von Debatte und Dialog.

Bei der Durchführung dieser Übung ist es von Vorteil, wissenschaftliche Expertise zu haben (z.B. aufgrund derzeitiger oder früherer Beschäftigung in der Wissenschaft).
Duration (hours)
2
Participants
20

What is this about?

Diese Übung basiert auf der Annahme, dass es nicht immer klar ist, wie Research Integrity in bestimmten Situationen gewährleitet werden kann, und dass es nicht immer offensichtlich ist, wie tugendhaftes Verhalten aussieht, wenn im Forschungsalltag Research Integrity gefährdet ist.

Why is this important?

Liest man verschiedene Research Integrity Verhaltenskodizes oder Leitlinien zur guten wissenschaftlichen Praxis, fällt auf, dass von den Wissenschaftler:innen oft erwartet wird, dass sie bestimmte Pflichten kennen und bestimmte Werte und Tugenden vertreten, und dass sie von alleine wüssten, wie sie sich entsprechend zu verhalten hätten. Beispiele sind: “Ehrlichkeit”, “Zuverlässigkeit”, “Verantwortung” und “Rechenschaftspflicht”.

Doch wie sollte man sich verhalten, um dem Wert “Ehrlichkeit” in bestimmten Situationen gerecht zu werden? Kann ein:e Wissenschaftler:in zu ehrlich sein? Oder nicht ehrlich genug? Diese Übung fördert die gemeinsame und kritische moralische Überlegung darüber, was es bedeutet, sich bestimmten Werten und Tugenden entsprechend zu verhalten - vor allem in Situationen, die eine Herausforderung für die eigene oder allgemeine Research Integrity darstellen.

Practical Tips

Übersicht über wissenschaftsrelevante Werte und Tugenden:

Ehrlichkeit · Neugier · Beobachtungsgabe · Ausdauer/Geduld · Objektivität · Bescheidenheit · Skepsis · Akribie · Mut · Zusammenarbeit · Entschlossenheit · Verantwortlichkeit · Verfügbarkeit · Kompetenz · Zuverlässigkeit · Aufrichtigkeit · Genauigkeit · Ehrlichkeit · Selbstlosigkeit · Reflexionsvermögen · Zielbewusstsein  · Teamgeist · Gerechtigkeit · Loyalität · Mäßigung · Positivität · Offenheit · Respekt

Handout 1:

Übung (individuell): Benenne einen Wert und male deinen Balanceakt auf

Teil A: Erinnere dich an eine Situation aus deinem Forschungsalltag, in der du unsicher warst, wie du dich „richtig“ verhalten solltest (z.B. hinsichtlich Research Integrity, Ehrlichkeit, Verantwortung). Es sollte eine Situation sein, in der du dir als Wissenschaftler:in nicht sicher warst, wie du dich (moralisch korrekt) verhalten solltest.

Welcher Wert war für dich in deiner eigenen beschriebenen Situation relevant?

Teil B: Mal den Balanceakt in Bezug auf deinen Wert auf.

Welches Verhalten muss ich zeigen, um einem bestimmten Wert entsprechend zu handeln? Um das herauszufinden, ist ein Balanceakt zwischen den zwei extremen Ausprägungen dieses Wertes notwendig. Diese extremen Ausprägungen sind für uns oft negativ assoziiert („Laster“): Entweder ist es zu wenig des bestimmten Werts oder zu viel davon. Um einen Reflexionsprozess und damit neue Gedanken und Lösungen in dir für deine spezifische Situation anzustoßen, stell dir folgendes Kontinuum für deinen ausgewählten Wert vor: 

  • Linkes Extrem: „Mangel“ - Was würdest du in der Situation tun, wenn dein Verhalten zu wenig des Wertes zeigen würde?
  • Rechtes Extrem: „Übermaß“ - Was würdest du in der Situation tun, wenn dein Verhalten zu viel des Wertes zeigen würde?
  • Eine Position dazwischen: „genau richtig“  - Was würdest du tun, wenn dein Verhalten genau das richtige Maß des Wertes zeigen würde? Das heißt, entsprechend deiner Überzeugung und entsprechend der individuellen Person, die du in dem Moment bist. Ein solches Verhalten ist weder zu stark noch zu schwach. In der Tugendethik wird diese Mittelposition („goldene Mitte“) als Tugendhaftigkeit bzw. tugendhaftes Verhalten bezeichnet.

Bsp: Stell dir eine Situation vor, in der dein:e Betreuer:in beanstandet, Erstautor:in eines Manuskripts zu sein, welches du geschrieben hast. Abhängig von deiner Persönlichkeit und von der spezifischen Situation könnte es für dich z.B. besonders leichtsinniges Verhalten sein, dich in dieser Situation direkt in den lokalen Medien über dein:e Betreuer:in zu beschweren oder anzudrohen, deinen Job zu kündigen („Übermaß“). Auf der anderen Seite könnte für dich z.B. besonders feiges Verhalten sein, nichts zu sagen und einfach widerstandslos zu tun, was dein:e Betreuer:in vorgibt („Mangel“). Eine Balance zwischen diesen zwei extremen Ausprägungen des Werts (Leichtsinn vs. Feigheit), nämlich mutiges Verhalten, könnte z.B. so aussehen, dass du um ein Gespräch mit deinem/r Betreuer:in bittest, in dem ihr dein moralisches Dilemma unter Einbezug der Vancouver Autor:innen Leitlinien besprecht („genau richtig“).

Handout 2:

Übung (Gruppe): Perspektivwechsel

Teil A: Austausch in der Gruppe

  • Schildert eure Situationen reihum in der Gruppe, ohne den Wert zu nennen.
  • Einigt euch auf eine Situation eines Teilnehmenden, die im Folgenden intensiv besprochen wird.
  • Fragt diese Person ausführlich nach der Situation aus, bis ihr glaubt, euch gut in die Lage der Person hineinversetzen zu können.

Teil B: Reflektion

Notiere auf einem Haftnotizzettel, um welchen Wert es der Person, die ihren Fall präsentiert, deiner Meinung nach ging. Mach dir dann Gedanken zu den aus deiner Sicht dem Wert zugehörigen drei Verhaltensweisen:

  • „Mangel“: Was würdest du in der Situation tun, wenn dein Verhalten zu wenig des Wertes zeigen würde?
  • „Übermaß“: Was würdest du in der Situation tun, wenn dein Verhalten zu viel des Wertes zeigen würde?
  • „genau richtig“ (tugendhaft) Was würdest du tun, wenn dein Verhalten genau das richtige Maß des Wertes zeigen würde? Das heißt, entsprechend deiner Überzeugung und entsprechend der individuellen Person, die du in dem Moment bist.

1
Vorbereitung

Eine Woche bevor die Übung durchgeführt wird, wirst du gebeten, über eine Situation aus deinem wissenschaftlichen Alltag nachzudenken, in der du moralische Zweifel darüber hattest, was passiert ist, oder darüber, was du in der Situation hättest tun können oder sollen. Die Situation muss vor der Übung nicht schriftlich ausformuliert werden. Es muss außerdem keine dramatische Situation sein, auch gewöhnliche Situationen, in denen dir fragwürdige Forschungspraktiken aufgefallen sind, sind für diese Übung geeignet.

Schau dir folgendes Video an, um einen Eindruck von der Übung “Der Balanceakt” im VIRT2UE Train-the-Trainer-Programm zu bekommen:

VIRT2UE Train-the-Trainer program: Middle Position Exercise

2
Vertraulichkeitsvereinbarung

Bevor die Übung in der Gruppe durchgeführt wird, wirst du und die anderen Teilnehmenden gebeten, eine Vertraulichkeitsvereinbarung zu unterschreiben. Dies ist ein schriftliches Festhalten der Erwartungshaltung, dass die während der Übung ausgetauschten Informationen von dir und den anderen Teilnehmenden vertraulich behandelt werden.

3
Übung

Der Trainer wird die Übung in drei Teilen durchführen:

Teil I: Individuelle Reflexion

Erinnere dich an eine Situation (siehe “Vorbereitung”), in der du dir nicht sicher warst, was das richtige Verhalten in der Situation ist, oder in der du Bedenken bezüglich der Research Integrity hattest. Welcher Wert war in dieser Situation angegriffen? Überlege dir, welches Verhalten du in der Situation zeigen müsstest, um diesem Wert gerecht zu werden.

Teil II: Reflexion in der Kleingruppe

Wählt eine Person aus (“Sprecher:in”), die später im Plenum über den nun stattfindenden Gruppenprozess berichten wird. Nun schildert jede:r in der Kleingruppe seine Situation und hört sich die Schilderung der anderen Kleingruppenmitglieder aufmerksam an. Wählt eine Situation aus, über die ihr gemeinsam intensiv nachdenken wollt.Nach der Auswahl der Situation füllt jede:r individuell das Handout 2 aus (siehe “Praktische Tipps”).

Tauscht im Anschluss eure Notizen in der Kleingruppe aus, indem ihr in einer Gruppenreflexion oder einem Gruppendialog über Unterschiede und Ähnlichkeiten in Bezug auf die ausgewählten Werte und Verhaltensweisen sprecht.

Teil III: Zusammenfassung der Arbeit in den Kleingruppen und allgemeine Erkenntnisse

In diesem Teil werden die Diskussionsergebnisse aus den Kleingruppen berichtet; allgemeine Erkenntnisse formuliert; und die Übung evaluiert.

(Eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Schritte ist bei den Anweisungen für Trainer:innen zu finden)

What is this about?

Diese Übung ist inspiriert von der aristotelischen Philosophie. Sie hilft den Teilnehmenden, sich kritisch mit den Nuancen der praktischen Bedeutung abstrakter Research Integrity-Werte und Tugenden in ihrem Forschungsalltag auseinanderzusetzen. Die Übung basiert auf der Annahme, dass nicht immer klar ist, was Research Integrity in einer konkreten Situation bedeutet. Durch die Übung fördern Trainer:innen Reflexion über Werte, die mit Research Integrity zusammenhängen (wie z.B. Mut, Verantwortlichkeit, Ehrlichkeit). Die Teilnehmenden reflektieren, welche Werte und Tugenden mit Research Integrity in Verbindung gebracht werden und welche konkreten Verhaltensweisen daraus abgeleitet werden können. Tugendhaftes Verhalten wird oft als zwischen zwei Extremen liegend beschrieben. Diese Extreme gelten im Allgemeinen als Laster. Die Übung verschafft einen kritischen Blick auf die praktische, nuancierte Bedeutung der Werte in Zusammenhang mit Research Integrity im Forschungsalltag und hilft Teilnehmenden, tugendhafte (mithin gute und situativ angemessene) Verhaltensweisen zu identifizieren.

Why is this important?

Liest man verschiedene Research Integrity Verhaltenskodizes oder Leitlinien zur guten wissenschaftlichen Praxis, fällt auf, dass von den Wissenschaftler:innen oft erwartet wird, dass sie bestimmte Pflichten kennen und bestimmte Werte und Tugenden vertreten, und dass sie von alleine wüssten, wie sie sich entsprechend zu verhalten hätten. Beispiele sind: “Ehrlichkeit”, “Zuverlässigkeit”, “Verantwortung” und “Rechenschaftspflicht”.

Diese Leitlinien sollen Wissenschaftler:innen darin anleiten, sich integer zu verhalten, wenn sie in ihrem Forschungsalltag mit moralischen Fragen konfrontiert werden.

Doch wie sollte eine Person sich verhalten, um dem Wert “Ehrlichkeit” in einer konkreten Situation gerecht zu werden? Kann ein:e Wissenschaftler:in zu ehrlich sein? Oder nicht ehrlich genug? Was ist, am Beispiel von “Ehrlichkeit”, genau das richtige Maß an Ehrlichkeit für die spezifische Person in dem spezifischen Kontext?

Diese Übung soll Trainer:innen darin schulen, einen gemeinsamen kritischen moralischen Reflexionsprozess bei den Teilnehmenden zu fördern, um ihnen erfahrbar zu machen, was es heißt, werte-orientiertes Verhalten zu zeigen.
1
Vorbereitung der Sitzung

Bevor die Übung in der Gruppe durchgeführt wird, solltest du die einzelnen Teilnehmer:innen kontaktieren und sie darum bitten, sich auf die Übung vorzubereiten, indem sie sich eine Situation aus ihrem Forschungsalltag überlegen, in der sie moralische Zweifel darüber hatten, was passierte oder was sie hätten tun sollen / tun können (d.h., Situationen, in denen offensichtlich ist, dass etwas moralisch verwerflich in Bezug auf Research Integrity ist, sind für die Übung weniger gut geeignet). Es ist wichtig, dass die Teilnehmenden angeregt werden, über ihre eigenen Erfahrungen nachzudenken. Sie müssen dieses Fallbeispiel aber nicht als Vorbereitung aufschreiben. Es muss außerdem keine dramatische Situation sein, auch gewöhnliche Situationen, in denen dir fragwürdige Forschungspraktiken aufgefallen sind, sind für diese Übung geeignet.

2
Vertraulichkeitsvereinbarung

Mit dieser Übung wirst du Reflexionsprozesse über persönliche Erfahrungen und Unsicherheiten bezüglich des “richtigen” Verhaltens anstoßen. Darum ist es wichtig, ein sicheres Umfeld zu schaffen, in dem die Teilnehmenden sich trauen, offen über ihre Fälle und Ideen zu sprechen. Beim Durchführen der Übung solltest du selbst auf die Verletzlichkeit der Teilnehmenden achten, und alle Teilnehmenden darin unterstützen, die Meinungen und Äußerungen der anderen Teilnehmenden zu respektieren. Wir empfehlen dir, den Teilnehmenden vor der Durchführung der Übung eine Vertraulichkeitserklärung auszuhändigen, die sie unterschreiben sollten. Damit wird schriftlich die Erwartungshaltung festgehalten, dass die während der Übung ausgetauschten Informationen vertraulich behandelt werden.

3
Einstieg in die Übung - 20 min

a. Begrüße die Teilnehmenden und beginne die Übung mit einer offenen Reflexionsrunde als “Eisbrecher”. Frag die Teilnehmenden:

  •  Bist du immer ehrlich (als Wissenschaftler:in)?
  • Kann man auch zu ehrlich sein (als Wissenschaftler:in)?

b. Nachdem du einige Antworten aus der Gruppe zusammengetragen hast, fahre damit fort, die Lernziele dieser Übung zu erklären. Betone, dass der Lernfortschritt der Übung dann besonders groß sein kann, wenn die Teilnehmenden über ihre eigenen moralischen Zweifel im Zusammenhang mit Research Integrity reflektieren (das bedeutet auch, dass die Teilnehmenden darauf achten sollten, keine vorschnellen Urteile über die anderen Teilnehmenden zu fällen, wenn diese ihre eigenen Fälle präsentieren).  

c. Gib eine kurze Einführung zur Bedeutung von Werten und Tugenden, der Tugendethik, und dem “Balanceakt” (engl.: The Middle Position). Achte darauf, den Teilnehmenden zu vermitteln, dass das Finden dieser Balance, wie sie bei Aristoteles beschrieben wird, Übung und Erfahrung erfordert. Lernen, ein werteorientiertes und tugendhaftes, gutes Leben zu führen, heißt also, sich mit den alltäglichen Erfahrungen zu entwickeln. Erinnere die Teilnehmenden daran, dass der Balanceakt nicht in der Mitte zwischen zwei Extremwerten sein muss (siehe das YouTube-Video zur Tugendethik). Die Balance findet man je nach Situation in einer anderen Position oder durch anderes Handeln. An dieser Stelle könnte es hilfreich sein, die Teilnehmenden auf die Seite “Research Integrity Werte” hinzuweisen, auf der eine Liste mit Werten zu finden ist (siehe “Praktische Tipps”).

Tipp: Es wird empfohlen, während der Übung nicht in eine theoretische Diskussion über die Tugendethik (von Aristoteles) und den damit verbundenen Meta-Fragen über Research Integrity abzuschweifen, da solche Meta-Diskussionen die Teilnehmenden in einen Modus versetzten, in dem sie abstrakt denken – was nicht Ziel der Übung ist.

4
Individuelle Reflexion der eigenen Situation – 15 min

a. Bitte nun alle Teilnehmenden, die Situation in Erinnerung zu rufen, über die sie im Vorhinein nachdenken sollten (siehe „Vorbereitung der Sitzung“). Es soll eine Situation aus dem Forschungsalltag der Teilnehmenden sein, in der sie unsicher waren, was das (moralisch) „richtige“ Verhalten ist (z.B. hinsichtlich Research Integrity, Ehrlichkeit, Verantwortung).

b. Die Teilnehmenden sollen nun einen bestimmten Wert zu benennen, der in ihrer spezifischen Situation eine Rolle gespielt hat. Bitte sie zu prüfen, ob und inwiefern die im Europäischen Verhaltenskodex für Integrität in der Forschung genannten Grundprinzipien hier relevant sind. Wenn ja, auf welche Weise? Wenn nein, warum nicht?

c. Bitte nun die Teilnehmenden, darüber nachzudenken, welches Verhalten sie in dieser Situation zeigen müssten, um dem von ihnen benannten Wert gerecht zu werden (im tugendethischen Sinne: tugendhaft zu handeln). An dieser Stelle ist eine Abwägung oder ein Balanceakt erforderlich, um die „richtige“ Handlungsweise zu bestimmen. Lade die Teilnehmenden zu diesem Zweck ein, sich bezogen auf ihre Situation ein Kontinuum vorzustellen. Wenn der genannte Wert bspw. „Mut“ ist, sähe das Kontinuum so aus:

feiges Verhalten -------------- mutiges Verhalten-------------------- leichtsinniges Verhalten

d. Lade nun die Teilnehmenden ein, drei konkrete Verhaltensweisen in Bezug auf ihre Situation aufzuschreiben und sich dabei an den folgenden Fragen zu orientieren (hier kann den Teilnehmenden Handout 1 zur Unterstützung angeboten werden):

  1. Linkes Extrem: „Mangel“ - Was würdest du in der Situation tun, wenn dein Verhalten zu wenig des Wertes zeigen würde?
  2. Rechtes Extrem: „Übermaß“ - Was würdest du in der Situation tun, wenn dein Verhalten zu viel des Wertes zeigen würde?
  3. Eine Position dazwischen: „genau richtig“ (im tugendethischen Sinne: tugendhaft)- Was würdest du tun, wenn dein Verhalten genau das richtige Maß des Wertes zeigen würde? Das heißt, entsprechend deiner Überzeugung und entsprechend der individuellen Person, die du in dem Moment bist. Ein solches Verhalten ist weder zu stark noch zu schwach. Als integre:r Wissenschaftler:in befindest du dich mit deinen Handlungen, Gedanken und Entscheidungen irgendwo zwischen den Extremen – genau in der für dich in der spezifischen Situation passenden Balance.

5
Reflexion in der Kleingruppe (Kleingruppen mit je 4-6 Personen) – 30 min

a. Teile die Teilnehmenden in Kleingruppen ein. Bitte jede Gruppe, eine Person auszuwählen, die am Ende der Übung im Plenum über die Erkenntnisse der Kleingruppe berichtet („Berichterstatter:in“).

b. Nun soll jede Person in ihrer Kleingruppe in ca. einer Minute ihre eigene Situation vorstellen. Dabei soll die Unsicherheit oder Sorge beschrieben werden, die er oder sie erlebt hat. Es soll nicht der Wert genannt werden, den die Person für sich als relevant festgelegt hat, und es soll auch nicht gesagt werden, wie sich die Person letzten Endes in der von ihr beschriebenen Situation verhalten hat oder wie die Situation endete.

a. Nachdem jede Person in der Kleingruppe ihre Situation vorgestellt hat, soll sich die Kleingruppe auf eine der vorgestellten Situationen einigen (z.B. durch Abstimmung). Über diese Situation werden sie im Folgenden als Gruppe nachdenken. Lade alle in der Kleingruppe ein, sich in diese Situation hineinzuversetzen und der Person, die die Situation vorgestellt hat, klärende Fragen zu stellen, um sich ein noch klareres Bild von der Situation machen zu können (d.h. keine Bewertungen, keine Ratschläge oder Schlussfolgerungen).

b. Nun soll jede:r für sich einen Wert (oder eine Tugend) benennen, der ihrer Meinung nach in dieser Situation eine Rolle spielte. Dann schreibt jede:r für die in der Kleingruppe besprochene Situation und diesen eigenen Wert drei Verhaltensweisen entsprechend des Kontinuums wie in der vorherigen Übung auf (dafür kann Handout 2 verwendet werden).

c.  Nachdem alle Teilnehmenden das Handout ausgefüllt haben, bitte sie, ihre Notizen kurz mit ihren Untergruppen zu teilen. Dafür soll eine Gruppenreflexion oder ein Gruppendialog über Unterschiede/Ähnlichkeiten in Bezug auf die gewählten Werte und Verhaltensweisen geführt werden. Lade die Teilnehmenden ein, über folgende Fragen nachzudenken:

  • Was ist interessant oder überraschend?
  • Hattet ihr unterschiedliche Werte für die Situation benannt?
  • Was habt ihr voneinander in Bezug auf den „Balanceakt“ gelernt – zum Beispiel, wie diese mittlere Position beschrieben und reflektiert wurde?
  • Auf welche Weise tauchten die Prinzipien des Europäischen Verhaltenskodexes für die Integrität der Forschung in den von den Teilnehmenden genannten Werten und tugendhaften Verhaltensweisen auf?

6
Reflexion im Plenum – 20 min

Bitte nun die Berichterstatter:innen, in aller Kürze …

  • die in den Untergruppendiskussionen diskutierten Werte und tugendhaften Verhaltensweisen zusammenfassend darzustellen, einschließlich der Unterschiede und Gemeinsamkeiten;
  • die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Art und Weise zusammenzufassen, wie die Teilnehmenden die mittlere Position / den Balanceakt formuliert haben (nicht die Unterschiede und Gemeinsamkeiten selbst, sondern im Allgemeinen);

Tipp: Richte den Fokus auf die Werte und mittlere Positionen (d.h. tugendhafte Verhaltensweisen) und nicht auf die spezifischen Situationen.

Um nach den kurzen Zusammenfassungen der Berichterstatter:innen ein Gespräch im Plenum zu beginnen, stelle den Teilnehmer:innen die folgenden Fragen:

- War es einfach oder schwierig, eine persönliche Situation zu finden und einen Wert dafür zu benennen und tugendhafte Verhaltensweisen zu identifizieren?

- Habt ihr gelernt, die inhärente moralische Ambiguität von manchen Werten und Tugenden wahrzunehmen? Zum Beispiel dadurch, wie andere die Situation einschätzten oder welche Werte und Verhaltensweisen sie auswählten?

- Möchte die Person, die die Situation ursprünglich präsentiert hat, beschreiben, wie sie die Übung erlebt hat?

7
Finale Überlegungen und Erkenntnisse

Formuliere gemeinsam mit allen Teilnehmenden einige übergreifende Erkenntnisse für die Gruppe. Achte besonders auf die Identifizierung und Begründung der mittleren Position (d.h. des tugendhaften Verhaltens).

Frage die Teilnehmenden, wie sich die aus dieser Übung gezogenen Erkenntnisse auf den Europäischen Verhaltenskodex für die Integrität der Forschung beziehen und auf welche Weise diese Übung ihnen bei der Förderung der im Europäischen Verhaltenskodex für die Integrität der Forschung genannten Prinzipien, Werte und Tugenden helfen könnte;

Frage die Teilnehmenden, ob und wie diese Übung und die Idee, eine mittlere Position zu finden, ihnen helfen könnte, wenn sie in ihrer Arbeit als Wissenschaftler:in mit einer moralischen Frage bezüglich der Research Integrity konfrontiert werden.

Wiederhole kurz die Ziele dieser Übung und frage die Teilnehmenden, inwieweit die Ziele für jede:n erfüllt werden konnten.

Notiere abschließend auf einem Flipchart die wichtigsten Erkenntnisse und einige Überlegungen dazu, wie diese Übung den Teilnehmenden helfen könnte, wenn sie mit einem moralischen Problem bezüglich der Integrität der Forschung konfrontiert werden.

Remarks

Bert Molewijk, Giulia Inguaggiato, Rose Bernabe,  Panagiotis Kavouras, Eleni Spayrakou, Vicko Tomic, Franca Marino.

This training has been developed by the VIRT2UE project, which has received funding form the European Union’s H2020 research programme under grant agreement N 741782.

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